In Ligurien, in der Provinz Imperia, gibt es einen Ort, der für den Besucher ebenso kurios wie faszinierend ist: Die heutige Künstlerkolonie Bussana Vecchia blickt auf eine höchst skurrile Geschichte zurück.
Die Anfänge der Ortschaft liegen in römischen Zeiten. Im Laufe der Jahrhunderte wurde Bussana Vecchia gegen Angriffe der Langobarden und Sarazenen befestigt und im 12. Jahrhundert entstand hier eine Burganlage.
Im Jahre 1887 schlug das Schicksal dann erbarmungslos zu: Ein Erdbeben der Stärke 6.5 erschütterte die gesamte Gegend. 2.000 Menschen fanden den Tod und das alte Bussana (Bussana Vecchia) wurde fast völlig vernichtet. Talabwärts errichteten die Überlebenden eine neue Siedlung, Bussana Nuova, heute ein Ortsteil der Gemeinde Sanremo.
Die stark zerstörten Gebäude der Geisterstadt wurden nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem von Wanderarbeitern illegal als Behelfsunterkünfte genutzt, dann aber von den Behörden geräumt.
Nach den Arbeitern kamen die Künstler, die ab den 1960er Jahren unter Führung von Mario Giani alias „Clizia“ eine Kolonie (Colonia Internazionale degli Artisti) im alten Bussana gründeten. In den 1970er Jahren schlossen sich ihnen Hippies und Aussteiger aus ganz Europa an, bauten einige der verfallenen Häuser provisorisch wieder auf und errichteten in Eigenregie Versorgungssysteme.
Die Künstler erwiesen sich als deutlich hartnäckiger als seinerzeit die Wanderarbeiter. Wiederholt widersetzten sie sich erfolgreich den halbherzigen Räumungsversuchen und Rückbauverfügungen der Behörden. Einige wohnen bis heute in Bussana Vecchia und betreiben Kunsthandwerker-Ateliers, Geschäfte und kleine Restaurants.
Da die Häuser Bussana Vecchias nur zum Teil und provisorisch wieder aufgebaut wurden, sind Spuren des Erdbebens von 1887 bis heute zu sehen – stumme Zeugen einer längst vergangenen Zeit.
Alle Bewohner der Ortschaft leben weiterhin illegal in den herrenlosen Behausungen, sind hier quasi nur geduldet. Offiziell existiert Bussana Vecchia gar nicht; es ist in keinem Kataster zu finden. Und dennoch gibt es ihn – diesen geheimnisvollen Ort, dessen ganz besondere Atmosphäre der Besucher auf sich wirken lassen sollte.