Kieselsteine schieben sich im Gang der Wellen rhythmisch in die Bucht. Türkisblaues Wasser, soweit das Auge reicht. Zwei Segelschiffe am Horizont. Ein Himmel, wie aquarelliert. Rosmarinsträuche, Pinien und Macchia dekorieren weiße Granitfelsen, die von Wind und Wasser in Dalì-ähnliche Strandskulpturen verwandelt wurden. Das sind Markenzeichen einer Insel, die nicht mit dem klassischen Italien gleichzusetzen ist.
Der englische Romanautor und Reiseschriftsteller D. H. Lawrence hat bereits im letzten Jahrhundert erkannt: „Sardinien ist ganz anders. Liebliche Weite ringsum, entgleitende Entfernungen – nichts endet, nichts ist endgültig. Es ist wie die Freiheit selber.“ Das Flair von Sardinien und seinen insgesamt 1.850 Kilometer langen Felsküsten ist in Europa unvergleichlich. Wüsste man nicht, dass man sich am Mittelmeer befindet, könnte man fast meinen, man wäre als Robinson Crusoe in der Karibik gestrandet. So sehr ähneln sich hier manche Buchten aus zwei Welten.
Morgens begegnet man Flamingos
Entlang der nördlichen Küste um Olbia, an der Costa Smeralda, bringen Mega-Yachten und VIP-Parties einen auf den Boden der (Schickeria-)Realität zurück. Nein, Sardinien ist nicht nur eine Naturinsel. Die Liebe zu spektakulären, einsamen Buchten, einer archaischen Kultur und zum Meer ist der gemeinsame Nenner von Promi-Welt, Motorrad- und Campingurlaubern. An den langen Dünenstränden der sogenannten Costa Verde würden sich Disco- und Partyfans eher verloren fühlen. Dafür begegnet man aber hier, in Chia Laguna, südwestlich der Hauptstadt Cagliari, morgens beim Spaziergang großen Flamingo-Scharen. Im flachen Wasser suchen sie emsig nach Krabben. Afrika erscheint von hier aus ganz nah.
Eldorado für Wanderer, Kletterer und (Motor-)Radfahrer
Sardinien hat sich etwas Geheimnisvolles bewahrt. Es ist weder eine reine Bade-Insel noch ein Kultur-Mekka. Die gute Mischung liegt einfach dazwischen. Die nach Sizilien zweitgrößte Insel im Mittelmeer ist kein preisgünstiges Urlaubsland. Doch im Landesinneren, das auch heute noch teils eine Hirtenregion ist, lässt sich in den sogenannten „Agriturismi“ und pinienberankten Appartements noch für wenig Geld übernachten. Fürs Wandern, Radfahren und Campen lohnt es sich, schon aus Deutschland gutes Kartenmaterial mitzubringen. Empfehlenswert ist es auch, vorab Kontakt mit sardischen Anbietern für Rad-, Trekking- und Wandertouren aufzunehmen. Dann kann das Abenteuer beginnen.
Zelten im Pinienwald
Die Südostküste Sardiniens verspricht viel Erholung und Entspannung. Besonders in Ogliastra, dem Landstrich zwischen Dorgali und Santa Maria Navarrese ist das Wandern ein Traum. Berge, bis 1.000 Meter hoch, und das Meer geben sich hier die Hand. Das Gebiet zwischen Cagliari und Muravera führt durch eine tiefe Bergschlucht und lädt zu mehrtägigen Touren ein. Im Monte-Linas-Gebirge, dem Dreieck zwischen Iglesias, Domusnovas und Guspini lässt es sich in der "Grotta di San Giovanni", eine beleuchtete, 800 Meter lange Tropfsteinhöhle wandern. Nahe der ausgeschilderten „Coperativa Linasia" findet man einen traumhaften Platz zum Zelten im Wald. Während der Wanderpausen in diesen bewaldeten Bergdörfern belohnen Brotzeiten aus dünnem Fladenbrot, Oliven und sardischem Pecorino-Käse für die Anstrengungen. Wer es verträgt, kann dazu ein Glas Vermentino-Weißwein genießen. Oder wer Rotwein mag, probiert den rubinroten Cannonau, der selbst geübte Weintrinker so manches Mal nach wenigen Schlucken „dizzy“ macht. Aber im Urlaub darf das schon mal sein. Sardinien schmeckt nach innerer Freiheit, das sagte schon D. H. Lawrence. Diesen Eindruck hat man auch heute noch auf der paradiesischen Lagunen-Insel.